Jannik Schümann beim Pressetag in Berlin/Fotocredit: Nicola Scholz
Jannik Schümann beim Pressetag in Berlin/Fotocredit: Nicola Scholz

Hollywood oder Berlin?

Ein Interview mit Jannik Schümann

 

Mein Ziel war es, dass man am Ende mit dem „Arschloch“ das man den ganzen Film über hasst, Mitleid hat.“ - zu seiner Rolle Titus in Jugend ohne Gott -

 

Das wichtigste Thema des Films? Schon über die Einstiegsfrage muss er nachdenken - Jannik Schümann, Schauspieler, der scheinbar immer nur die bösen Charaktere mimen darf, so auch bei „Jugend ohne Gott“. Hier spielt er den emotionslosen Titus. „Das wichtigste Thema des Filmes ist, glaube ich, inwiefern man sich selbst abgrenzen kann von dem Gesellschaftsdruck, von dem was sie von einem erwartet um sich selbst treu zu bleiben“, antwortet Jannik. Seiner Meinung nach wurde er in einer Zeit geboren, die sehr viel weniger Probleme bereithält als noch zu Zeiten seiner Eltern. Wenn es um die Frage geht, ob er ähnliche Erfahrungen gemacht hat, spricht er sein Abitur an: Er gehörte zum ersten Jahrgang, der nach 12 Jahren die Schule beendet hat. „Da habe ich von meinen Schülerkollegen mitbekommen, wie sehr sie unter der Erwartung litten, so früh die Schule zu beenden und dann gleich wissen zu müssen, wie es weitergeht.“

 

Was waren deine ersten Gedanken zu der Rolle des Titus?

Er wollte die Rolle vor allem wegen der Schlussszene spielen, die zugleich auch die Schlüsselszene ist: „Eine so gut geschriebene Szene vorgelegt zu bekommen, ist selten“, erklärt er. „Allgemein ist es immer eine große Herausforderung, einen bösen Charakter zu spielen, seine weiche Seite zu zeigen und ihn damit zu erklären. Mein Ziel war es, dass man am Ende mit dem „Arschloch“, das man den ganzen Film über hasst, Mitleid hat.“

 

Das ist dann einfach mein Spielplatz.“ - zu der Frage wieso er immer die bösen Charaktere spielen darf. -

 

Es kommt nicht selten vor, dass Jannik den bösen Charakter spielt wie zum Beispiel in „Spieltrieb“. Was ist der Grund dafür? Und hat er einen inneren Leitfaden, um solche Charaktere zu gestalten?

„Das frag ich mich auch manchmal“, sagt er lachend. „Ich habe diese Seite in mir noch nicht entdeckt. Aber vielleicht ist es auch diese Seite, die ich nicht in mir entdecke, die ich gerne auslebe. Das ist dann einfach mein Spielplatz.“

 

„Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth hatte Jannik vorher nicht gelesen. In Hamburg gehörte der Roman nicht zum Lehrplan. Trotz großer Unterschiede zum Film empfindet er es als Erleichterung, dass die Geschichte im Film in der näheren Zukunft spielt, die unserer Gegenwart nicht mehr allzu fern ist. Das befreit den Film von dem Druck, das Buch 1:1 auf die Leinwand zu übertragen.

 

Selbst wenn es nur ein Bild aus der Maske ist, von einem Filmset, da sind die Leute einfach wahnsinnig glücklich drüber.“ - zu der Frage ob er Instagram nutze -

 

Wie schaust du in die Zukunft?

„Ulala“, ist Janniks erste Reaktion auf diese Frage. „Ich möchte positiv sein. Und ich glaube an das Gute im Menschen.“

 

Ein anderes Thema welches der Film anspricht, ist der zunehmende Druck der Leistungsgesellschaft. Wie schaut Jannik auf diese Problematik? Lohnt sich noch der totale Einsatz? Der Einsatz lohnt sich, war seine Antwort. Jannik glaubt nur, dass er gesund bleiben muss, dass niemand sich für irgendetwas fertigzumachen braucht. Wichtig ist dabei auch, was man für sich tut, wie weit man es bringen möchte und wie weit man dafür zu gehen breit ist.

„Wenn ich an die Zukunft denke, macht mir eher die Welt des Internet Angst“, sagt er nach einer gedanklichen Pause und spricht auch direkt den Film „The Circle“ an, der demnächst in die Kinos kommt.

 

 

Was ich total schön finde an diesem Film oder warum ich pro Dystopie bin, weil die Schüler endlich mal einen spannenden Film bekommen.“

 

Bist du denn jemand, der oft im Netz unterwegs ist?

„Na klar, das ist heutzutage ja nicht mehr wegzudenken!“.Aber Facebook auf dem Handy ist ein No-Go, sagt er, denn ihm ist aufgefallen, wie sehr man alles um sich herum vergisst, wenn das Handy im Einsatz ist. Und für ihn als Schauspieler ist es wichtig, andere zu beobachten, das geht am besten auf einer langen U-Bahn fahrt. Er befindet sich, was Social Media angeht, in einem Zwiespalt. Auf der einen Seite bekommt er mit, wie Plattformen wie Instagram immer wichtiger werden. Auf der anderen Seite ist er aber auch Schauspieler, für den Öffentlichkeit einfach alles ist! „Und ich versuche und hoffe, dass ich es schaffe, da das Gleichgewicht zu finden.“

 

Wie sehr stehst Jannik als Schauspieler unter dem Druck, Social Media einzusetzen?

„Den Druck spüre ich ehrlich gesagt noch nicht. Er war recht spät mit einer öffentlichen Instagram Seite, selbst seine private hat er nur zum Foto bearbeiten genutzt, aber ihm wurde schnell klar dass es nun mal Leute gibt die Seiten wie diese nutzten und die es ganz spannend finden kleine Einblicke in sein Leben und seine Projekte zu bekommen. „Selbst wenn es nur ein Bild aus der Maske ist, von einem Filmset, da sind die Leute einfach wahnsinnig glücklich drüber.“

 

[...]aber eigentlich ist nach den Dreharbeiten wieder vor den Dreharbeiten.“ zu der Frage, ob seine Karriere schon ein Selbstläufer geworden ist -

 

Der Film wird ein FSK von 12 bekommen und vielleicht auch irgendwann zum Lehrplan gehören.

Was nimmt oder kann dieses junge Publikum aus dem Film mitnehmen?

„Was ich total schön finde oder warum ich pro Dystopie bin, ist, dass die Schüler endlich mal einen spannenden Film zu sehen bekommen, auch vom Look her und der Musik. Das ist ein Film auch für die Schule, bei dem die Schüler Spaß haben und auch etwas lernen können. Meistens schaut man in der Schulzeit Filme, bei den man sich langweilt und die man erst als Erwachsener gerne sieht. Durch Aktualität und dadurch, dass wir das Buch in die Gegenwart übertragen haben, denke ich, dass wir die Brücke geschlagen haben.“

 

Für Jannik persönlich waren es die schönsten Dreharbeiten, die er bisher hatte. „Wir waren einen Monat lang in Garmisch Paten-Kirchen. Das Wetter war eine Katastrophe. Es war schrecklich kalt und matschig, auch wenn man das dem Film oft gar nicht ansieht. Wir haben gelitten. Das gab den Ausschlag, der uns zusammenwachsen ließ. Und es hat sich angefühlt wie eine Klassenfahrt, so intensiv habe ich das noch nicht erlebt“, schwärmt der gebürtige Hamburger.

 

Jannik, Jannis und Emilia kennen sich bereits von verschiedenen Drehs: „Das war natürlich krass! Wir hatten „Jugend ohne Gott“ abgedreht und standen direkt für „High Society“ wieder zusammen vor der Kamera. Und noch krasser ist, dass mein Haus in „Jugend ohne Gott“ auch mein Haus in „High Society“ ist! Es gab also nicht einmal einen Ortswechsel, auch wenn das Haus in „High Society“ komplett anders aussieht“, erzählt Jannik.

 

Ich biete mich gerne an auch mal ein Held zu sein“ auf die Frage, ob er auch mal einen Helden verkörpern würde -

 

„Dumbo kann fliegen, das finde ich super!“, antwortet er lachend auf die Frage, wer denn sein Held sei. Eine genaue Antwort kann er nicht geben, denn ihn beeindrucken so viele Menschen. Aber ein paar Namen nennt er dennoch, Schauspieler die er wahnsinnig gut findet, die ihm jedes Mal die Sprache verschlagen: Das sind zum Beispiel Meryl Streep oder Ryan Gosling, weil er sich nach „The Notebook“ von Nicholas Sparks nicht für den einfachen Weg entschied und nur noch in Liebesfilmen mitspielte, sondern auch kleine Rollen in Arthouse-Produktionen annahm.

 

Ich biete mich gerne an auch mal ein Held zu sein“, sagt Jannik auf die Frage, ob es mehr Spaß macht, fiese Charaktere zu spielen als den Helden. Die fiesen findet er trotzdem extrem spannend, weil es meistens die vielschichtigen Charaktere sind. „Die Rolle des Titus ist ein Traum für jeden Schauspieler, sagt er, weil man genau versteht wieso er so ist wie er ist und wenn man dann noch die Chance hat, dass, mit einer Schlüsselszene zu zeigen, ist das großartig.“

 

„Jugend ohne Gott“ startet am 31. August in die Kinos, danach „High Society“ sowie „Submergence“, ein Film von Wim Wenders, in den Jannik zu sehen sein wird. Gerade läuft es also gut für den jungen Schauspieler.

Ist deine Karriere schon zum Selbstläufer geworden?

„Nein, überhaupt nicht“, gibt Jannik lachend zur Antwort. „Die Filme kommen zwar jetzt relativ gebündelt heraus, was schön ist denn dann bekommt man wiederum Aufmerksamkeit die einem helfen kann. Aber eigentlich ist nach den Dreharbeiten wieder vor den Dreharbeiten. Man weiß nie, was kommt und ob man noch weitere Angebote eingehen. Eine Garantie gibt es nicht.“ Bei Wim Wenders hatte er einen Drehtag, erzählt er, ein Gastauftritt, der mit einem kleinen Dialog mit Alicia Vikander verbunden war. Am Abend zuvor hat er sich ihre Dankesrede bei der Oscar-Preisverleihung angeschaut, die ihm eine schlaflose Nacht verursachte, so sehr war ihm der Unterschied zwischen sich und ihr bewusst geworden. Der Tag am Set war dann mehr oder weniger an ihm vorbeigezogen. „Das sehe ich nicht als Maschinerie, die am Laufen ist, sondern eher als „krass“, was habe ich hier gerade für eine wahnsinnige Erfahrung gemacht!“

 

Was ist also Janniks Ziel, wo will er hin? Hollywood oder Berlin?

„Ich habe nie gesagt, ich ziehe irgendwann nach L. A. und versuche es da, weil ich denke, dass dies ein viel zu großer Sprung wäre. Ich habe schon manchmal Angst vor der ganzen Maschinerie in Deutschland. Doch wenn ich mir vorstelle, dass international gecastet wird, dann ist doch fast unmöglich, dass man genommen wird.“ Unmöglich oder nicht, bereits im Januar war es ihm gelungen: „Aftermath“ ist eine internationale Produktion, für die er eine Rolle angeboten bekam. „Da haben sie einen deutschen Jungen gebraucht. Den konnten sie nur in Deutschland finden. Und das war mein Glück!“, gibt er sich bescheiden. Jannik stand neben Keira Knightly vor der Kamera „und das war genauso abenteuerlich wie mit Alicia Vikander“, findet er. Seine ersten internationalen Erfolge ziehen ihn also nicht sofort nach Hollywood, aber er wird es auch nicht aus den Augen verlieren.